Das Geheimnis des exponentiellen Wachstums
Wie gefährlich sind die exponentiellen Entwicklungen von Fallzahlen, von denen oft die Rede ist?
Grundsätzlich beschreibt das exponentielle Wachstum einen sich ständig hoch-multiplizierenden Prozess. Immer wenn beispielsweise die Rede ist von „Verdoppelung alle 10 Tage“ (oder ähnlichem), wird strukturell ein exponentielles Wachstum beschrieben, das in der Regel stärker und rasanter als lineares Wachstum („alle 10 Tage 1000 neue Fälle“) ist. Es wird im Kontext von Covid-19-Fallzahlen darauf verwiesen, dass der normale Mensch sich diese Art von Wachstum nicht gut vorstellen könne und deshalb Experten bestimmten müssten, was zu geschehen habe. Oft steckt die Annahme von exponentiellem Wachstum in Modellen, die zur Begründung der von der Politik beschlossenen Maßnahmen herangezogen werden.
In der Realität beobachten wir exponentielles Wachstum immer nur in begrenzten Zeiträumen, meist schwächt sich das Wachstum irgendwann ab und geht schließlich in eine Schrumpfung über. Im Covid-19-Kontext wird dann häufig behauptet, dass die verschärften Maßnahmen (Lockdown, AHA-Regeln etc.) dafür verantwortlich seien. Doch dies ist in den meisten Fällen nicht beweisbar.
Als Beispiel betrachten wir die Intensivbettenbelegung durch Covid-19-Fälle in Deutschland, deren exponentielles Wachstum Angela Merkel in ihrer Pressekonferenz am 28.10.2020 als Begründung für den Lockdown Light ab dem 3.11.2020 im November ins Feld führte. In der oberen Abbildung sehen wir die Daten seit September 2020, wie sie vom DIVI-Intensivregister publiziert werden. In der unteren ist ein einfacher Darstellungstrick angewendet worden, der zur Nachahmung empfohlen wird, nämlich eine logarithmierte Skala (in Tabellenkalkulationsprogrammen muss hierzu nur ein entsprechendes Häkchen gemacht werden).
Mit einer logarithmierten Skala wird exponentielles Wachstum als einfache Gerade sichtbar. Man kann dadurch in der unteren Abbildung erkennen, dass vom 15.10, bis zum 5.11.2020 tatsächlich ein exponentielles Wachstum der Intensivbettenbelegung feststellbar war (orange Linie), danach wurde das Wachstum aber kontinuierlich schwächer. Der Knick kann übrigens noch keine Folge des Lockdowns sein, da es bei einem schweren Verlauf von Covid-19 in der Regel 14 Tage von der Infektion bis zur Intensivstation dauert, also frühestens am 17.11. ein vermindertes Wachstum resultiert hätte.
Zum besseren Verständnis sollte man sich immer vor Augen führen, woher die exponentielle Entwicklung kommt: Es muss eine multiplikative Struktur vorhanden sein, wie man sie auch von einem Schneeballsystem her kennt: Jeder Anleger bringt zwei neue Anleger, die wiederum ihr Geld einzahlen und weitere Anleger suchen. Das geht dann so lange, bis sich keine neuen Anleger mehr finden und das Schneeballsystem zusammenbricht. Übertragen auf die Ausbreitung eines Virus bedeutet das: Ein exponentielles Wachstum funktioniert so lange, wie jede infizierte Person neue vom Virus „unbeleckte“ Personen findet, von denen sie dann einen Teil infiziert. Die neu Infizierten müssen nun aber wiederum in gleichem Umfang neue potenziell zu Infizierende finden. Dies geht aber nicht ewig, weil Menschen, die dem Virus schon begegnet sind, entweder eine Immunität dagegen aufgebaut haben oder diese schon besitzen (Kreuzimmunität über T-Zellen). Zudem bewegen sich Menschen in bestimmten Gruppierungen (Freundeskreis, Arbeitskollegium) und haben nicht beliebig viele weitere Gruppierungen in der Hinterhand, in die sie dann ganz frisch das Virus hineintragen könnten.
Quellen: